Texte | Prof. Dr. Michael Schwarz | Kunsthistoriker

 

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Michael Schwarz
Daniel Hausig – Über Raumbezug, Lumineszenz und die Rolle des Betrachters


Das Werk von Daniel Hausig ist ein Werk im Kontext. Und dies in mehrfacher Hinsicht. Mit seinen Lichtskulpturen aus über drei Jahrzehnten hat Daniel Hausig die Entwicklung der Lichtkunst aus Kunstlicht maßgeblich mitbestimmt – genauso wie sein. Werk von wichtigen Positionen diese Richtung getragen und beeinflusst wurde. Neben dem historischen Kontext gilt es aus Anlass der Ausstellung Dynamic Light zu zeigen, in welchem konkreten Bezugsrahmen zum gegebenen Raum die jeweiligen Arbeiten zu sehen sind. Schon in der frühen Installation »Safelight« von 1987 in der Bunkeranlage Stresemannstraße in Berlin wird deutlich, dass Daniel Hausig einen Raum in seiner Geschichtlichkeit, seiner Form, dem Eigenlicht, seiner Temperatur respektiert und ihn mit all seinen Gegebenheiten zum Ausgangspunkt seiner Eingriffe macht: »Die geschichtliche sowie raumsituative Eindeutigkeit der Anlage spricht für sich und soll nicht überlagert oder illustriert werden, sondern die Voraussetzungen bilden für eine eigenständige Deutung des Besuchers...« Mit dieser Suche nach der ganz eigenen Qualität eines Ortes und dem Wunsch, diesem mit den Mitteln der Kunst zu begegnen – ohne ihn zu dominieren – hatten sich in Berlin Rolf Eisenburg, Tony Cragg, Fritz Rahmann, Raimund Kummer und andere schon in der Lützowstraße Situation vom White Cube verabschiedet und mit selbstbestimmten Strategien neue Materialien, Ausdrucksmittel und Vermittlungsformen jenseits des traditionellen Kunstbetriebes gefunden. »Die Künstler meiden die weiße Zelle, sie suchen Orte, die eine Geschichte haben. Auf diese (und sei es auch nur die Geschichte der Ausstellung des Vorgängers) reagieren sie, ohne sie systematisch zu erforschen. Vielmehr antworten sie innovativ auf das vorhandene ästhetische Material ...«

In den 90er Jahren geht Daniel Hausig noch einmal einen Schritt zurück und beschäftigt sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Lichts. In der Ausstellung »Lichträume« der Stadtgalerie Saarbrücken nutzt er 1996 die Räume als Präsentationsflächen für eine Untersuchung des Figur-Grundproblems, in dem er Farbpigmente flächenhaft zum Leuchten, also materiell zur Anschauung bringt. Die aus dieser Versuchsanordnung entstandenen Lichtzeichnungen lagen als Lichtbilder auf dem Boden, andere waren an die Wand montiert. Den für die Arbeiten notwendigen Strom erzeugten Sonnenkollektoren auf dem Hof der Galerie. Anders als bei einigen Lichtobjekten und -installation von Gerhard Merz aus der Zeit und lange vor der Arbeit »4kw« von Siegrun Appelt auf der Architekturbiennale Venedig 2008, deren enormer Energieverbrauch mit dem visuellen Konzept eines Energieverzichts bei der Beleuchtung des Brandenburger Tor in Berlin verbunden war, stellt Daniel Hausig mit diesem Werk ein Nullenergieprojekt vor. Das war ökologisch gedacht, aber mit gewissen Nachteilen in Bezug auf Formfindungen verbunden, denn »die serielle Struktur seiner Arbeiten – sichtbar als Linienzeichnung – [ist] die gleiche, die der Natur der Siliziumkristalle zugrunde liegt«, schränkt also die Gestalt seiner Objekte erheblich ein. Daniel Hausig hat weiter geforscht und dabei nach einer Verbindung von Farbe und Licht gesucht. Er fand sie in der Ansteuerung von Nachleuchtpigmenten durch kurzwelliges UV-Licht. Diese Pigmente, die im sichtbaren Bereich mehr Licht remittieren als eingebracht wird, können auf jedwede Form aufgetragen und durch versteckte UV Strahler zum Leuchten gebracht werden. Das Verfahren erlaubt eine Erweiterung der künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten – und zwar in zweierlei Hinsicht. Durch eine Modularisierung der Formen, die in der Bunkeranlage Stresemannstraße in Berlin noch an die vorgefundenen Markierungen gebunden waren, sind nun eigene Formfindungen und Bezüge zum gegebenen Raum möglich. In der Ausstellung licht.lokal von 2005 in der Kunsthalle Göppingen beziehen sich die aus gewählten Modulen zusammengesetzten Arbeiten auf den vorgefundenen Ausstellungsraum. Und: In ihrer genauen Anordnung ermöglichen sie dem Betrachter Erfahrungen von Zeit durch Bewegung, das Erlebnis von Farbatmosphären durch die digital gesteuerten Blendklappen der UV-Strahler und das Gespür von Innen und Außen beim Begehen des leuchtenden Hauses. Mit der Bodenarbeit und dem technisch relativ einfach erzeugten Loop der Farbverläufe beginnt – parallel zu den Innovationen der Beleuchtungsindustrie – eine Werkentwicklung hin zu immer komplexeren zeitbasierten Lichtskulpturen.

Gefunden hatte Daniel Hausig in dieser Ausstellung darüber hinaus den seriellen Rapport als Werkbegriff, mit dem er fortan in Arbeiten für Innen- wie Außenräumen zu arbeiten begann. Er wird in unterschiedlichen Formen und Materialien angewendet in Fachwerk 2009, Pixelwall 2011, Farbdepesche 2014 oder Switch 2016. In der Geschichte der Lichtkunst der letzten 50 Jahre ist der serielle Rapport nicht unbekannt, er findet sich in Arbeiten von den Dan Flavin, Hans Peter Kuhn, Jan van Munster, François Morellet, Andreas Schmid, Ayșe Erkman und anderen. Ich wähle zwei Beispiele mit einem exemplarischen Raumbezug aus. Als permanente Installation ist von Dan Flavin in Dia:Beacon am Hudson Untitled (to you, Heiner, with admiration and affection) aus dem Jahr 1973 eingerichtet. Mit ihrem auf die unterirdische Säulenhalle bezogenen Rapport der grünfluoreszierenden Leuchtstoffröhren ist sie zweifellos nicht nur eine frühe, sondern gerade an diesem Ort eine der herausragenden Arbeiten der site-specific Light Art. Als jüngstes Beispiel für die Ortsspezifik nenne ich Glass Works von Ayşe Erkmen aus dem Jahre 2015, ursprünglich installiert in der Halle Verrière de Meisenthal. Exposition d'art contemporain, bei dem die Künstlerin den Rapport der vorhandenen Industrielampen nutzt und durch vorgeblendete Farbschablonen unterschiedlichen Zuschnitts auf dem Boden der Halle ein eigenes Licht-Werk schafft.

Die kurze Genese modularer Formen in der jüngeren Geschichte der Lichtkunst vermag zwar den Kontext anzudeuten, in den die Arbeiten von Daniel Hausig gehören, das Geheimnisvolle und Unverwechselbare seiner Werke im Vergleich zu den genannten Positionen erklärt sie nicht. Denn die oben genannten Künstler verzichten auf jedweden Inhalt jenseits dessen, was der Betrachter sieht: Objekt und Bild (und damit auch die Vorstellung, was das Bild noch sein könnte) fallen zusammen. Das ist bei Daniel Hausig anders. Zwar zeigt die zentrale Arbeit Pool in der Ausstellung Dynamic Light im Kunstmuseum Celle den beschriebenen Rapport von 24 identischen Leuchttischen – aber die Lichtfarben verändern sich hier und erzeugen, synchronisiert mit dem Geräusch eines fallenden Tropfens, im zeitlichen Ablauf ein Raumbild, das Assoziationen erlaubt. Mühelos stellt sich der Betrachter eine Fläche vor, auf der eintauchende Wassertropfen Wellenringe auslösen. Die gewählten Farben werden zu Lokalfarben eines imaginierten Meeres oder der Raum zum Ort eines abziehenden Regens. Pool ist die Adaption der Arbeit licht.bad von 2008 im Kunstmuseum Heidenheim, die sich unmittelbar auf den Ausstellungsort bezogen hatte. Damals schrieb René Hirner: »Für das Kunstmuseum hat [Daniel Hausig] dabei eine Form gewählt, die an die ursprüngliche Funktion des Gebäudes als Schwimmbad erinnert. Vorwiegend in Grün- und Blautönen leuchtend evoziert das Farbbild, das genau auf der Fläche des ehemaligen Schwimmbeckens aufgebaut ist, die Bewegung der Wasseroberfläche. Unterstützt wird dieser Eindruck durch eine Akustikinstallation, die der Künstler eigens entwickelt hat. Aus verschiedenen Tonaufnahmen hat er die Geräuschkulisse eines Schwimmbades gemischt, auf welche die Farbtafeln reagieren.«

Daniel Hausig setzt zwar auf die formale Ästhetik des Raumbildes und ihre Wirkmacht, hinterlegt sie aber mit der Geschichte eben dieses Raumes. Schon in der frühen Arbeit Innenraum/Außenraum von 1988/89, bei der die architektonischen Kantenprofile eines Kühlhauses nachgebildet und in den Außenraum übertragen worden waren, manifestieren sich in den abstrakten Formen auch Funktion und Geschichte des Innenraums, dem sie ihre Form verdanken. Deshalb gilt es, im Werk von Daniel Hausig nicht nur auf die formale Beschaffenheit des Werkes, sondern ebenso auf die historischen Gegebenheiten des jeweiligen Raums oder Ortes zu achten. Dies gilt auch für Farbdepesche von 2014 in den Fenstern des Landesmuseums Hannover mit ihrem scheinbar freien Verlauf der Farbbänder von links nach rechts. Die Lichtinstallation bezog sich vielmehr auf den Austausch von Eildepeschen, die zwischen Hannover und Großbritannien während ihrer Personalunion (1714 – 1837) ausgetauscht wurden. Hausig hatte Texte aus historischen Dokumenten der Zeit in Farbcodes und Zeitintervalle übersetzt, die in Leserichtung über die Fassade des Museums wanderten. Im Obergeschoss von Dynamic Light in Celle wird noch einmal Fachwerk von 2009 an die Wand gelehnt zu sehen sein. In der großen Ausstellung Scheinwerfer 2013 teilte Fachwerk mit seinen z.T. diagonal ausgerichteten Stäben das Dachgeschoss des Hauses mit unmittelbarem Bezug auf die ebenfalls wechselnden Richtungen der Dachkonstruktion. Ortsbezogen damals – autonom oder nur noch mit einer fernen Referenz auf den früheren Ort im gleichen Haus heute, beschränkt auf eine formale Ästhetik. Das Beispiel zeigt noch einmal, dass Anlass und Ausgangspunkt einer Arbeit oft der Raum, ein Gebäude oder ein Ort mit ihren je eigenen Geschichten sind. Jeder Ortswechsel und Wiederaufbau einer auf diese Weise entwickelten Arbeit zerstört den ursprünglichen Referenzrahmen und verweist sie auf sich selbst. Einige Lichtskulpturen bewahren allerdings ihre Ikonographie, weil diese in die für sie gewählten Grundform bereits eingeschrieben ist. Das gilt für die Arbeiten Personal Light, bestehend aus einem 30 m langen Leuchtband, das als Spiralform um einen menschlichen Körper oder auf dem Boden als rechtsdrehende Spirale mit seit alters her positiver Konnotation als Urform des Lebens eingesetzt wird. Und es trifft zu für Seitenlicht – Versuchsanordnung, ein Werk, das mit einem konkreten Raumbezug entstand, mit ihrem flexiblen Lichtschlauch jedoch unterschiedlichen Situationen angepasst werden kann. Die Bildmetapher bleibt dabei die gleiche. Seit der Jungsteinzeit steht die hier gewählte Mäanderform für Kontinuität und Bewegung in der Zeit.

Die Lichtskulpturen von Daniel Hausig sind mehr als Skulpturen aus Licht. Am Ort ihrer Entstehung beziehen sie sich auf Gebäude, Räume, auf Geschichte und Mythen, auf physikalische oder ökologische Phänomene. In späteren Ausstellungen bleibt von ihnen oft nur die Erinnerung an einen Zustand, der flüchtig war wie das Licht, aus dem sie bestehen. Doch hat jedes neue Werk immer auch eine eigene Geschichte und trägt ein eigenes Versprechen.

Quellen: siehe PDF

© Michael Schwarz 2019




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