Texte | Prof. Dr. Michael Schwarz | Kunsthistoriker

 

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Michael Schwarz
Eine kurze Geschichte der Lichtkunst im öffentlichen Raum.

„One of the functions of the artist in society is to put layer upon layer, stone
upon stone, in the organization of emotions; to record feelings with particular
means, to give structure and refinement as well as direction to the inner life of
his contemporaries.” Mit diesem Statement beschreibt László Moholy-Nagy
präzise die Aufgaben eines Künstlers, der sich der Gesellschaft verpflichtet
sieht. Das Zitat ist dem Buch „Vision in Motion“ entnommen, das 1947 in
Chicago bei Paul Theobald Publishers erschienen ist. Die Erfahrungen, die
sich in dieser Textstelle spiegeln, liegen jedoch weit zurück; Moholy-Nagy hat
sie in den Jahren seiner Tätigkeit am Bauhaus in Weimar gemacht und später
am New Bauhaus und in dessen Nachfolge-Institution weiterentwickelt.
Interessant für unseren Zusammenhang ist dabei die emotionale Qualität eines
Werkes, die Moholy-Nagy nicht nur für die autonome Arbeit, sondern gerade
auch für Aufgaben im öffentlichen Raum reklamiert. Besonders dort muss
Kunst wirken, viele erreichen, ohne große Vorkenntnisse verstanden werden.

László Moholy-Nagy gehört neben Ludwig Hirschfeld-Mack, Kurt
Schwerdtfeger, Naum Gabo, Antoine Pevsner und anderen zu den Pionieren
der Lichtkunst und unter diesen zu jenen, die der Lichtplastik im öffentlichen
Raum eine Aufgabe zugewiesen haben. Mit diesen Pionieren beginnt die
Ausstellung „Stadtlicht-Lichtkunst“, mit einer kurzen Beschreibung der
Einsatzmöglichkeiten des „Lichtrequisits einer elektrischen Bühne“ von László
Moholy-Nagy beginne ich meine kurze Geschichte der Lichtkunst. Das
kinetische Lichtobjekt ist klar aufgebaut. Auf der kreisrunden Bodenplatte teilt
der Rahmen einen darüber liegenden virtuellen Zylinder in drei gleich große
Raumzonen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Materialien, vor allem
durch die wechselnde Form und Transparenz der verwendeten Elemente,
entstehen in den Abschnitten je eigene Raumqualitäten. Wird das Lichtrequisit
in Bewegung versetzt und gleichzeitig aus einer bestimmten Richtung mit
starken Scheinwerfern angestrahlt, dann erzeugt es Licht- und
Bewegungserscheinungen von höchst unterschiedlicher Form und Dauer.
Gleichzeitig ist das Lichtrequisit eine kinetische Skulptur. Als solche war sie
ausgestellt, so wird sie heute rezipiert. Konzipiert war sie als ein Modell zur
Grundausstattung von Theater- und Opernbühnen. Moholy-Nagy dachte
darüber hinaus an eine vielfältige Nutzung. In der Zeitschrift „Die Form“ 1930
schrieb er 1930, nicht nur „im Theater als Erhöhung der Spannungsmomente“
werden diese Licht- und Bewegungsspiele eingesetzt werden. „Es ist sogar
vorgesehen, dass diese und ähnliche Lichtspiele durch Radio übertragen
werden, teilweise als Fernsehprospekte, teilweise als reale Lichtspiele, in dem
die Empfänger selbst Beleuchtungsapparate besitzen.“ Wäre es gebaut
worden, dann wäre das Lichtrequisit von Moholy-Nagy ein universell
einsetzbares Gerät gewesen, unter anderem auch für Lichtspiele im
öffentlichen Raum. Mit dieser Qualität hätte es Erfahrungsfelder eröffnet, die
für weitergehende Anwendungen bis hin zur Ausstattung von Versammlungen,
zu Werbezwecken, und damit zur Emotionalisierung von Teilbereichen des
Öffentlichen hätte führen können. Moholy-Nagy plante und entwickelte den
„Licht-Raum-Modulator“, wie das Lichtrequisit auch genannt wurde, in seinen
Jahren am Bauhaus in einem künstlerischen Klima, das auf das Experiment
und die Anwendbarkeit des Künstlerischen setzte.

Etwa gleichzeitig entwickelte Naum Gabo seine radikalste Lichtplastik als
Lichtprojektion. Mit Hilfe lichtstarker Scheinwerfer plante er im Auftrag des
Berliner Stadtplaners Hugo Hering für ein Lichtfest im Zentrum der Hauptstadt
weit in den Himmel ragende Lichtarchitekturen. Aus denkmalpflegerischen
Gründen durfte dieses Projekt nicht realisiert werden, in seiner Konzeption
führte es jedoch geradewegs zu den Lichtdomen von Albert Speer, der schon
1933 hochmoderne, für die Luftwaffe von Göring entwickelte Flak-Scheinwerfer
für seine „Finale Beleuchtung“ einsetzte. An diese durch die Nationalsozialisten
diskreditierten Innovationen mochte die Nachkriegsmoderne zunächst nicht
anschließen. Im Bereich der Lichtkunst setzte sie sich mit den Möglichkeiten
auseinander, die der „Licht-Raum-Modulator“ von Moholy-Nagy eröffnet hatte.
Die Rotoren von Otto Piene, Alberto Biasi oder die Arbeiten der Künstlergruppe
der Groupe de Recherche d´Art Visuel – GRAV mit Julio Le Parc, Jean Pierre
Yvaral, Joel Stein, François Morellet, Garcia Rossi und Francisco Sobrino sind
ohne das Modell des „Lichtrequisits“ nicht zu denken, allerdings mit dem
entscheidenden Unterschied, dass in diesen Werken keine Verbindung von
Kunst und öffentlichem Leben hergestellt ist – bei aller Emotionalisierung des
Raumes, in dem sie ausgestellt sind. Die Bühne dieser kinetischen
Lichtskulpturen ist der Museumsraum, hier allerdings werden alle Register
gezogen, die mit dem Einsatz von Licht und Schatten in abgedunkelten
Räumen möglich sind. Erst Mischa Kuball wird in den 90er Jahren dann mit
formalen Mitteln, die den Pionieren der 20er Jahre ebenso wie seiner
Lehrergeneration verpflichtet sind, den urbanen Raum als Projektionsfläche
zeichenhafter und oft auch emotionaler Botschaften entdecken und nutzen.

Für die Lichtskulptur der 20er Jahre und die Experimente im Umfeld des
Bauhauses ist noch eine andere Position von großer Bedeutung: Walter Dexel
und seine angewandten Lichtplastiken. Sie öffnen der Kunst ein Feld, das das
Bauhaus immer gesucht hatte, nämlich die Nähe der Kunst zur
Gebrauchskunst, zur Reklame, zum urbanen Raum. Eine solche Haltung setzt
einen offenen Kunstbegriff voraus, den Walter Dexel im Kreis seiner
Konstruktivistenfreunde Moholy-Nagy, El Lissitzky, Buchhartz, van Eesteren
und Richter entwickelt und für sich akzeptiert hatte. In diesem Zusammenhang
gehören die bekannten farbigen, elektrisch beleuchteten Glasplastiken,
Leuchtsäulen, die als Festdekoration ebenso wie als Werbeträger Verwendung
finden sollten.

Zählt man zu diesen beiden Inkunabeln der Lichtkunst der 20er Jahre die
Experimente der oben genannten Künstler Hirschfeld-Mack, Joseph Hartwig
und Kurt Schwerdtfeger hinzu, auf die zahlreiche Experimente auf dem Gebiet
der kinetischen Lichtgestaltung zurück gehen, dann sind die wesentlichen
Quellen und Voraussetzungen für die weitere Entwicklung der Lichtkunst im
öffentlichen Raum benannt. Eine genauere Untersuchung der technischen
Innovationen, also der Entwicklung neuer Lampen und Leuchtkörper, kann
darüber hinaus die Abhängigkeit der Lichtkunst von der Entwicklung der
Lichttechnik zeigen. Diesen Aspekt klammere ich aus und verweise auf den
Beitrag von Harald Hoffmann.

Die Grundlagen für eine Lichtkunst im öffentlichen Raum waren geschaffen.
Durch die bahnbrechenden Arbeiten von Walter Dexel, László Moholy-Nagy
und andere Künstler am Bauhaus in Berlin und Dessau wurden der Kunst neue
Themen und Materialien eröffnet: Licht, Bewegung, Klang, Farbe und der weite
Bereich des Angewandten im Theater und im urbanen Raum eröffneten der
Kunst neue Möglichkeiten. Diese wurden jedoch jäh durch die
Machtübernahme der Nationalsozialisten unterbrochen, das Bauhaus wurde
geschlossen, viele Entwürfe und Konzepte konnten in Deutschland nicht weiter
entwickelt oder realisiert werden. 1937 gründete László Moholy-Nagy mit
einigen Künstlerfreunden, darunter auch Archipenko und György Kepes, in
Chicago das New Bauhaus, das spätere so genannte Institute of Design mit
der Absicht, kreative Ansätze aus Kunst, Wissenschaft und Technik
zusammenzuführen. Doch wie schon in den 20er Jahren blieb auch dort vieles
ungebaut und konnte deshalb nicht jene Wirkung entfalten, die nur von
realisierten Lichtskulpturen ausgehen kann. Hier machte sich bald nach 1950
eine Künstlergeneration ans Werk, die unbekümmert, experimentierfreudig und
fähig war, Veranstalter, Initiatoren und Geldgeber von ihren Projekten zu
überzeugen, so dass es vor allem in Deutschland und Frankreich zu zum Teil
spektakulären Lichtchoreographien und lichtkinetischen Arbeiten kommt. Einer
der ideenreichsten, aber auch durchsetzungsfähigsten Künstler innerhalb
dieser neuen Gemeinschaft der Lichtkünstler war Nicolas Schöffer. In seinem
klingenden spatiodynamischen Turm von St. Cloud, der 1954 in Paris entstand,
ging er durch die Anwendung einer komplexen Lichtchoreographie weit über
die Wirkungsgrenzen einer traditionellen kinetischen Skulptur hinaus. Vor allem
in seinem kybernetischen Lichtturm vor dem Kongressgebäude in Lüttich von
1961 werden die technischen, optischen und akustischen Möglichkeiten einer
Lichtskulptur enorm erweitert. Nicolas Schöffer selbst nennt diese Kunst
„Luminodynamik“. „Die Luminodynamik vereinigt in sich alle künstlerischen
(plastischen) Techniken, die sich die Verdichtung und nachfolgende Projektion
von Licht auf durchsichtige oder undurchsichtige Flächen oder auch in einem
Raum nutzbar machen ... Die Projektionen können im Sinne der Filmtechnik
geordnet oder frei sein. Die filmischen Projektionen sind sowohl visuell wie
zeitlich prädeterminiert. Die freien Projektionen ... basieren auf der
Verwendung von Filtern und Reflektoren, die statisch oder beweglich sein
können oder beides zugleich.“ Die eigentliche Innovation dieses klingenden
kybernetischen Turms von Lüttich bestand in seiner Interaktivität. Die gesamte
Anlage reagierte über angeschlossene Mikrofone und photoelektrische Zellen,
Hygrometer und Windmesser auch auf akustische und meteorologische
Situationen. Indem sie Informationen über die aktuellen Geräusche und
Wetterbedingungen an ein Informations- und Antriebssystem weitergab, löste
sie bestimmte Bewegungen der Spiegelflächen, einen Wechsel der
Projektionen und ein Changieren der Scheinwerfer und Lichtfarben aus. Hinzu
kamen Schallaufnahmen von verschiedenen Musikfolgen, die übereinander
geschichtet immer wieder andere Klangwirkungen erzeugten. Insbesondere
nachts lieferte der „Turm von Lüttich“ ein eindrucksvolles optisches wie
akustisches Schauspiel, das seine Fortsetzung auf der Glasfassade des Palais
de Congrès fand, deren Lichtspiele sich in der vorbeifliessenden Maas
spiegelten.

Für die Geschichte der Lichtkunst im 20. Jahrhundert ist dieser „Turm von
Lüttich“ von Nicolas Schöffer das erste große und technisch aufwändig
realisierte Beispiel einer Lichtkunst im öffentlichen Raum. Schöffer hatte
bewiesen, dass sich mit dem Medium Licht spektakuläre Werke schaffen
lassen, die auch im immer unübersichtlich werdenden urbanen Raum
Orientierungen und Identifikation schaffen können. Und es war deutlich
geworden, dass diese Kunst nicht mehr durch Einzelne, nicht mehr durch den
Künstler-Schöpfer, sondern nur durch die Zusammenarbeit von Künstlern,
Ingenieuren, Komponisten und Herstellern, die bereit sind, sich auf derartige
Projekte einzulassen, realisiert werden kann. Selbstbewusst formulierte der
Künstler damals: „In der Verwirklichung dieses Vorhabens trafen sich die
modernsten Ideen der Wissenschaft mit denen der Kunst in einem kühnen
Bemühen um neuen Ausdruck. Die Auswirkungen dieses Experiments sind
noch längst nicht alle zu übersehen.“

Etwa zur gleichen Zeit formierte sich in Düsseldorf mit Otto Piene, Heinz
Mack und ab 1961 dann mit Günther Uecker die Künstlergruppe ZERO. Auch
diese Künstler wollten an einer Verbindung von Kunst und Technik und Leben
arbeiten und dabei den Zuschauer zum Beteiligten zu machen. Zunächst
bezogen sich die Arbeiten noch auf den Innenraum. Das „Archaische
Lichtballett“ von 1960 oder die späteren Aufführungen und Projektionen auch
im öffentlichen Raum zeigen – anders als bei Schöffer – ein Interesse an
temporären, flüchtigen, aber oft auch spektakulären Großveranstaltungen. So
plante Piene für die Abschlussfeier der olympischen Spiele in München über
dem Olympiastadion einen riesigen Regenbogen und darüber die fünf
olympischen Ringe, plastisch und leuchtend durch fluoreszierende
Heliumschläuche. Der Name Otto Piene ist eng verbunden mit dem Center for
Advanced Visual Studies, das György Kepes am Massachusetts Institute of
Technology (MIT) in Cambridge/Massachusetts gegründet hatte mit dem Ziel,
Wissenschaft und Kunst zusammenzuführen. Die hier versammelten
Wissenschaftler und Künstler glaubten an den Fortschritt, an eine
Verbesserung der Welt durch Forschungen, die auf den Menschen bezogen
sind. In Zusammenarbeit mit Technikern und Wissenschaftlern sollte der
Künstler Otto Piene hier für diesen Fortschrittsglauben verständliche
Metaphern finden, riesige Bildzeichen, unter denen sich Menschen für die
kurze Zeit eines Ereignisses versammelt konnten. Sportveranstaltungen oder
Kunstausstellungen, nationale Feiertage oder politische Veranstaltungen
lieferten den Rahmen für derartige Events, leuchtende, heliumgefüllte
Regenbögen, Blumen oder riesige Bäume, Sterne oder der fallende Ikarus
lieferten die Motive. Das Licht ist bei diesen Skulpturen nur ein Mittel, das die
Formen zum Leuchten bringt.

Heinz Mack hingegen ist ein Künstler, der radikal die Bedingungen und
Möglichkeiten des Lichtes selbst hinterfragt und thematisiert. „Licht ist ein
Medium, in dem der Gegenstand zum Widerstand wird. So sind meine Werke
Gegenstände des Lichts, Instrumente des Lichts.“ Für Mack ist das Licht ein
Element, das an die Stelle der traditionellen Materialien einer Skulptur treten
kann. Zwar ist es in einer Lichtskulptur gebunden an ein Material, aber mit
diesem definiert es die autonome Skulptur. Schöffer und Piene nutzten das
Licht um einen Kontext zu beschreiben, einen Zusammenhang zwischen
Skulptur, Architektur und Landschaft oder einen Zusammenhang mit den
Menschen, die aus einem bestimmten Anlass zusammengekommen waren.
Das Licht bei Heinz Mack hingegen ist ein Konstruktionslicht, es bestimmt die
Skulptur und bringt sie zum Leuchten. In den frühen Skulpturen, die oft nur im
Entwurf oder als Modell erhalten sind, beschäftigt sich Mack mit dem Licht als
einem Element, das neben Luft und Wasser Formen erzeugt. Entsprechend
utopisch sind die Orte, an denen diese Lichtskulpturen realisiert werden sollten,
bis hin zu einer Lichtstadt in der Wüste. Wie die geplanten Architekturen, so
sind die Lichtstelen in der Wüste unweit des Meeres als „weithin sichtbare
Fanale der Reservation“ errichtet worden. Durch Flügel unterschiedlicher
Größe und Ausrichtungen entstanden durch das Sonnenlicht Vibrationsfelder
und ein Lichtvolumen, das sich permanent veränderte. Aus der Ferne glichen
diese Lichtstelen eher einer Erscheinung, einer Fata Morgana in der
Unwirklichkeit der Wüste. Einige dieser Stelen hat Heinz Mack 1968 in der
tunesischen Wüste realisiert. So spektakulär diese Projekte waren, so
folgenlos blieben sie auch. Zu abgelegen war der Standort, zu schwierig der
Transfer in die Metropolen, in denen sich niemand diese Lichtprojekte
vorstellen konnte, weil sie in den stilisierten Aufnahmen gleichsam
außerterrestrisch aussahen. Das war bei den ersten Vorführungen, wie 1961
auf den Rheinwiesen in Düsseldorf, ganz anders: Hier inszenierten Mack,
Piene und Uecker ein Lichtspektakel, das jeder ohne besondere Vorkenntnisse
unmittelbar miterleben konnte. Dabei dachten die ZERO-Künstler auch an eine
Beteiligung der Zuschauer. Über das Projekt „Licht-Spiel“ schreibt Günther
Uecker 1965: „Meine Arbeiten erhalten durch das Licht ihre Wirklichkeit. Ihre
Intensität ist durch das einwirkende Licht wandelbar und vom Standpunkt des
Betrachters veränderlich. Sie fordern zur Aktivität heraus und erhalten dadurch
ihre Lebendigkeit. Diese Objekte haben eine reale räumliche Beziehung zum
Betrachter, der einen Bewegungsprozess verwirklicht.“

Der Versuch, Kunst und Leben in der Aktion zu versöhnen, scheiterte – wie
wir wissen. Geblieben ist jedoch die Überzeugung, dass der Mensch, als
Betrachter und Nutzer des öffentlichen Raums, teilnehmen sollte an einer
Kunst, die diesen Raum besetzt. Dies bleibt Aufgabe und hohes Ziel der
Künstler, die sich in den folgenden Jahrzehnten mit einer Kunst im öffentlichen
Raum beschäftigen und durch eine permanente Intervention diesen im Sinne
einer verbesserten Lebensqualität zu verändern trachten. Mit ihren Projekten
einer temporären Bühne im Kantpark des Wilhelm Lehmbruck Museums oder
durch Lichtbänke haben jüngere Künstler wie Mischa Kuball oder Stefan Sous
diesen Ansatz weiterentwickelt und dabei gleichzeitig die Autorenschaft des
Werkes aufgehoben. Das Werk geht auf im Kontext des Urban Design und ist
nur für den eingeweihten Besucher als Kunstwerk zu identifizieren. Auf einer
anderen Ebene und völlig unideologisch gehen hier Kunst und Leben
zusammen, wird die Kunst in das Leben, das ein städtisches Leben ist,
überführt.

Bildende Kunst, aber auch Architektur, haben sich immer unter den
Bedingungen des verwendeten Materials entwickelt. Eine Kunst, deren
Erscheinung ausschließlich vom künstlichen Licht abhängt, muss die
technischen Innovationen der Leuchtmittel nutzen, will sie selber innovativ
bleiben. Befördert wurden diese Erneuerungen nicht immer nur durch die
Kunst, sondern vom Beginn des 20. Jahrhunderts an auch durch das Theater,
durch Reklame und Werbung und durch das Militär. Bis in die späten 60er
Jahres blieb es in der Weltsprache der Lichtkunst deshalb bei der Verwendung
von Scheinwerfern, Leuchtkästen und ganz normalen Glühlampen. (Von einer
Lichtkunst, die mit natürlichem Licht oder mit Feuer arbeitet, ist in diesem
Zusammenhang nicht die Rede). Trotz des Zusammenhangs von technischen
Erfindungen auf dem Gebiet der Leuchtmittel und Lichtkunst finden Künstler
wie Nicolas Schöffer oder Otto Piene zu ganz eigenen Lösungen, die keinerlei
Abhängigkeit von den oben genannten Innovationsfeldern erkennen lassen.
Durch die Einführung und den zunehmend einfacheren Gebrauch von Neon,
Laserstrahlen und starken Lichtprojektionen erweitern sich auch die
künstlerischen Möglichkeiten der Lichtkunst. Gleichzeitig erhöht sich die
Gefahr, dass Lichtkunstwerke im urbanen Raum in der Konkurrenz nächtlicher
Verkehrsführung, Stadtbeleuchtung und Leuchtreklame als das Andere nicht
mehr zu erkennen ist. Um dieser Gefahr zu entgehen, blieben den Künstlern
zwei Strategien. Entweder sie realisierten ihre Lichtobjekte in der Nähe von
oder an den Museen, Galerien oder Ausstellungshäusern, in denen sie ihre
Arbeiten zeigten. In diesem Kontext wirkte das öffentlich gezeigte
Lichtkunstwerk dann wie ein Zeichen, das auf die Ausstellung oder den
Sammlungszusammenhang in der Institution verweist. So hat Maurizio
Nannucci aus Anlass seiner Ausstellung in der Villa Arson in Nizza 1990 auf
diese durch eine Neonarbeit hingewiesen, die aus den sich überlagernden
Buchstaben der Stadt bestehen, in der die Ausstellung zu sehen ist: NICE. In
der Materialsprache des Künstlers verweist sie einerseits auf die Werke, die in
der Villa Arson zu sehen sind, sie tut dies auf der Ebene der Reklame für
dieses Ereignis. Für diese Botschaft muss man den Ort kennen und wissen,
dass die Villa Arson ein Ausstellungsinstitut ist. Der andere Verweis gilt dem
eigenen Werk und hier einer Werkgruppe, die Nannucci schon in den späten
60er Jahren entwickelt hat. Bei diesen Arbeiten für den Innen- wie für den
Außenraum handelt es sich um Realdefinitionen, bei denen der in Neon
geschriebene Satz oder das Wort das Gesehene wiederholt. Schon 1969
installierte Nannucci im Winkel von Boden und Häuserwand eine Neonarbeit,
die aus einer roten Linie bestand und mit dem Schriftzug „red line“ endete. Bei
dieser Arbeit war die veranstaltende Galerie in der Nähe und sicherte den
Kunstkontext.

Ist dieser nicht gegeben oder nicht herzustellen, verfolgen die Künstler im
urbanen Raum in der Regel eine andere Strategie: Sie suchen nach Orten, an
denen ihre Arbeiten weder mit dem Stadtlicht noch mit Reklamelicht
konkurrieren und eine Konzentration auf das Werk möglich ist. Für jede weitere
Auseinandersetzung mit Fragen der Beleuchtung des öffentlichen Raumes sind
diese kontextbezogenen Arbeiten der Künstler von allergrößter Bedeutung. Sie
zeigen oft modellhaft die Bedingungen auf, unter denen Licht im öffentlichen
Raum organisiert werden sollte.

Im Laufe der 80er und 90er Jahre emanzipieren sich die Lichtkunstwerke von
den Ausstellungsinstitutionen. Die Künstler akzeptieren Orte, an denen das
Werk auf sich gestellt ist und eine eigene Beziehung zu der sie tragenden
Architektur herstellen muss. Bei Keith Sonnier, Brigitte Kowanz oder Günter
Dohr funktionieren diese Arbeiten schon deshalb, weil die Bedingungen, unter
denen die Werke realisiert werden können, für Lichtwirkungen optimal sind.
Entweder sind es Fassaden, an deren verdunkelter Rückwand Leuchtkästen
angebracht werden, oder es sind dunkle Passagen, die ohnehin frei sind von
Tageslicht. Die gewählten Orte garantieren zudem eine solitäre Wirkung. Das
Stadtlicht ist entweder ausgeschaltet oder weit genug entfernt, Reklamelicht
wurde entfernt. Das Werk definiert die Passage, die Architektur oder den
öffentlichen Innenraum. Meist ist es das Neonlicht, das in vielen Farben seriell
oder als Zeichen oder Schrift geformt eingesetzt wird. Wie die Architektur, so
hat auch die Lichtkunst längst von Las Vegas gelernt und die technischen
Innovationen übernommen, die auf diesem Markt verfügbar sind. Eine direkte
Konkurrenz mit der grellen Leuchtreklamewelt der Großstädte wird jedoch
grundsätzlich vermieden. Im Lichtermeer der Straßenlaternen,
Fassadenbeleuchtungen, der ausgeleuchteten Schaufenster, der LED- und
Leuchtreklamen, haben die oft abstrakten oder rätselhaften Botschaften der
Lichtkunstwerke selten eine Chance. Es sei denn, das Werk tritt an die Stelle
der sonst für diesen Ort vorgesehenen Botschaften. So hat Jenny Holzer ihre
Wahrheiten in den 80er und 90er Jahren auf die Anzeigewände von Stadien,
Superhotels oder über die Leuchtbänder in der Gepäckausgabe von Flughäfen
lanciert, auf denen sonst die Herkunft der Flüge und die Flugnummern
angezeigt wurden. Jenny Holzer nutzt also das vorhandene Display für
Botschaften, die gerade an diesen Orten ungewöhnlich sind und deshalb
irritieren konnten. Wenn dann noch auf dem International Airport von Las
Vegas die Botschaft erscheint „Money creates taste“, dann konnte der eine
oder andere Kurzurlauber, der für ein Wochenende nach Las Vegas
gekommen war, um mit ein paar Dollars sein Glück zu machen, schon
nachdenklich werden und sich fragen, weshalb Geld Geschmack hervorbringen
soll. Doch die Möglichkeit, die Lichtlandschaften der Großstädte zu übertreffen,
ist begrenzt, sie zu unterlaufen, gelingt nur wenigen.

Erst die Zusammenführung der städtischen Lichtplanung mit der
kommerziellen Nutzung und einer künstlerischen Konzeption eröffnet Wege,
die bedenkenlose Lichtverschmutzung in den Städten aufzuhalten. Sicher,
Licht muss sein, wir brauchen das Licht, um uns zurechtzufinden. Es muss
Hinweise auf Gebäude, Auslagen, Wegeführungen geben, Ampelanlagen sind
unerlässlich. Doch bei der Zusammenführung der unterschiedlichen
Vorstellungen und Interessen braucht es Regeln, die verhindern, dass das
Licht alles andere bis zur Überblendung stört oder gar aufhebt. In Frankreich
haben Städte wie Lyon oder Metz vorgemacht, dass zunächst einmal die
Grundbeleuchtung in den Städten reduziert werden muss, die Städte müssen
dunkler werden. In den Wohnungen sind wir ja schon lange dazu
übergegangen, uns je nach Nutzung der Räume um eine ganz bestimmte
Lichttemperatur zu kümmern. Wir wollen unseren verschiedenen Tätigkeiten
unter unterschiedlichen Lichtverhältnissen nachgehen dürfen. Um eine
Atmosphäre im Raum zu erzeugen reicht es nicht, die richtigen Möbel zu
kaufen. Vor allem müssen die Leuchtkörper gut gewählt und im Raum richtig
verteilt sein. Mit den Städten ist es nicht anders. Wenn die Grundbeleuchtung
reduziert wird, dann muss auch die Lichtreklame nicht so grell und aggressiv
sein und dann haben auch übergreifende Lichtkonzepte ihre Chance.

Die Zukunft der Lichtkunst im öffentlichen Raum liegt in einer Strategie der
Mitbestimmung. Künstlerinnen und Künstler, deren Material das Licht ist,
müssen einbezogen werden und sich einbeziehen lassen in städtische
Lichtplanungen. Beim Versuch einer Neuordnung geht es zu aller erst um den
Ausgleich des klassischen Konflikts zwischen dem Privaten und dem
Öffentlichen, den Mischa Kuball auf eine ebenso einfache, wie überzeugende
Weise in seinem Beitrag für die Biennale von Sao Paulo 1998 thematisiert hat.
Die privaten Nutzer von Licht – und jede Leuchtreklame eines Cafes ist privat –
müssen bereit sein, ihr Licht in einem gemeinsamen, übergreifenden
Lichtkonzept aufgehen zu lassen. Das erfordert ein höheres Maß an
Abstimmung als bei der Accrochage „Private Light/Public Light“ von Mischa
Kuball. Gleichzeitig muss der runde Tisch der städtischen Lichtplaner bereit
sein, die privaten Geschäftsinteressen angemessen zu berücksichtigen. Der
Ausgleich der divergierenden Interessen ist aus drei Gründen schwierig, sicher
aber möglich. Zum einen gibt es bislang keine realisierten Gesamtkonzepte
einer städtischen Beleuchtung, die Stadtlicht, Verkehrslicht, Reklamelicht und
funktionsloses, freies Licht zusammen führen und die deshalb diskutiert
werden könnten. Dann ist es schwer, den Beteiligten klar zu machen, dass
jedes Gesamtkonzept mit einer drastischen Reduktion der Lichtmenge
beginnen muss. Zu lange haben wir uns an eine Lichtüberflutung des
nächtlichen, öffentlichen Raumes und an eine Verstärkung der Lichtreize
gewöhnen müssen. Und schließlich sind die Künstler, die bei diesen Planungen
dabei sein sollten, auf die neuen Aufgaben kaum vorbereitet. Gleichwohl haben
sie Grundlagenforschung betrieben, die in eine Neukonzeption des Stadtlichts
eingehen kann. In konkreten Aufgaben haben sie Lösungen gefunden, die
modellhaft sind und durchaus auf größere Zusammenhänge übertragen
werden können. Wenn François Morellet 1987 einen Neonwinkel in eine
Museumsarchitektur setzt, dann macht er das mit den Erfahrungen eines
Künstlers, der über die Wirkung von Neonlicht, über das Verhältnis von Licht
und Architektur und über die Verschränkung ähnlicher Formen
unterschiedlicher Materialität jahrelang gearbeitet hat. Die Aufgaben im
urbanen Raum sind komplexer, aber ohne das Grundlagenwissen der Künstler
wird man sie nicht lösen können.

Nun wäre es illusorisch, nach einem Masterplan zu rufen, dann das Licht
auszumachen, um anschließend das neue Licht der Stadt einzuschalten. Eine
Reduzierung der Lichtverschmutzung und der sukzessive Aufbau einer
gemeinsam entwickelten städtischen Lichtplanung wird es, kann es nur in dem
Maße geben, wie wir unsere Haltung dem Licht gegenüber ändern. Dazu
müssen wir Beispiele sehen. Diese Beispiele gibt es von Künstlern,
Lichtdesignern, Architekten, Stadtplanern – oft als Gemeinschaftsarbeit. Eines
dieser übertragbaren Beispiele ist nach wie vor die schon 1993 realisierte
Lichtplanung von Keith Sonnier auf dem Flughafen München. Die komplexe
Aufgabe von Transit, Orientierung und Beleuchtung ist hier im überschaubaren
Rahmen einer Gangway konkret und exemplarisch gelöst. Konkret ergeben
sich aus der fließenden Abfolge verschiedenfarbiger Neonräume
Orientierungen, die den Transit erleichtern. Gleichzeitig funktioniert das
Neonlicht der Installation als Beleuchtungslicht, das in der breiten Unterführung
permanent eingeschaltet sein kann. Modellhaft und deshalb in ihrem
Grundkonzept wie eine städtische Lichtplanung zu nutzen ist die Arbeit, weil sie
Lichtknoten, wieder erkennbare Verdichtungen schafft, die der Orientierung
dienen, weil sie in den Zwischenräumen mit dem Licht eine Bewegung erzeugt,
die den Reisenden begleitet und weil sie den störenden Gegensatz von
Leuchtenden und Beleuchteten aufhebt. Damit sind drei von sicher mehreren
Parametern städtischer Lichtplanung angesprochen: Orientierende
Lichtverdichtungen, gedimmte Verbindungen und die Reduktion des
Beleuchtungslichtes. Was unter den selbstgewählten oder verhandelbaren
Bedingungen einer Lichtarbeit in der zu bauenden Architektur einer
Unterführung gelingt, muss in der komplexen Wirklichkeit einer gegebenen
städtischen Situation (zunächst) scheitern. Aber auch hier zeigen Künstler
Wege auf, die verfolgt werden können. Brigitte Kowanz und Olafur Eliasson
haben kürzlich in München an vorhandenen Gebäuden Lichtarbeiten realisiert,
die sich nicht vor die Architektur stellen, sondern sich mit dieser verbinden. Die
nächtliche Substitution von Architektur durch Licht ist seit dem „Turm der
Winde“ vom Toyo Ito 1986 ein gängiges Prinzip, für eine Lichtplanung im
öffentlichen Raum jedoch kaum erforscht. Wenn ich es richtig sehe, existieren
derzeit innerhalb städtischer Lichtkonzepte drei Orientierungen: die
Beleuchtung von Kirchen und öffentlichen Gebäuden, die gleichmäßige
Ausleuchtung von Straßen, Plätzen und Parkanlagen und die Lichtevents
(Beleuchtung des Eifelturms zum Millennium, Beleuchtungskonzept für die
Allianz-Arena München in den Farben des jeweils spielenden Clubs). Eine
Verbindung dieser drei Programme müsste möglich sein, weil sie in der
Verantwortung der Kommunen liegen. Schwieriger ist die Integration des
privaten Sektors in eine anzustrebende übergreifende Lichtplanung. Brigitte
Kowanz hat mit ihrer Arbeit „Lichtpartitur“ von 2001 ein Beispiel gegeben: Die
verspiegelten Neonkästen in den Außenmauern der MEAG München
beleuchten den Innenraum und erfüllen damit eine der Grundbedingungen für
öffentliche wie private Räume, in die kein Tageslicht fällt: Sie erhellen den
Innenraum: Gleichzeitig führen die Lichtobjekte nach draußen, wo sie am
Abend und in der Nacht die Arkade beleuchten, durch die der Fußgänger
flaniert. Und schließlich leuchten sie selbst und markieren so ein Gebäude, in
dem ein Unternehmen zu Hause ist, dass Öffentlichkeit sucht. Gerade in der
Thematisierung der Grenze zwischen Innen und Außen, Privatem und
Öffentlichem, Beleuchten und Leuchten, kann diese Arbeit Hinweise auf einen
Ausgleich der Interessen im Grundkonflikt zwischen dem öffentlichen und dem
privaten Sektor geben.

Dieser Ausgleich muss einhergehen mit einer deutlichen Reduktion der
Lichtmenge insgesamt. Im öffentlichen Raum herrscht nach wie vor ein
Beleuchtungsverlangen, dass in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde und
das nur langsam reduziert werden kann. Dabei ist es auch in unseren Breiten
relativ einfach, die Adaptionsfähigkeit unserer Augen zu testen. Man braucht
nur in einer sternenklaren Nacht in einer Landschaft ohne allzu viel Stadtlicht in
der Nähe nach draußen zu gehen, um zu erfahren, wie hell es dort ist.
Kunstfreunde wissen, dass sich in den Ausstellungen mit Zeichnungen Alter
Meister die Augen schon nach wenigen Minuten an eine Beleuchtung gewöhnt
haben, von der wir am Eingang dachten, sie würde nicht einmal ausreichen,
um die Beschriftungen zu lesen. Und wer eine Reise zum „Lightning Field“ von
Walter de Maria nicht gleich als Eskapismus versteht, der wird den Aufenthalt
(meist ohne Gewitter) als Lehrstunden für die Sinne begreifen, bei dem wir
noch einmal sehen lernen. Lösungen bietet der Aufenthalt sicher nicht.
Lösungen für alternative Lichtkonzepte im öffentlichen Raum können nur
angesichts der Probleme gefunden werden, die sich hier stellen. Die Reduktion
der Lichtmenge, die Versöhnung der öffentlichen und privaten Interessen und
die Erstellung von Masterplänen können nur politisch gefunden werden. Wenn
dies gelingt, werden wir den öffentlichen Raum wieder als einen emotionalen
Raum erfahren. Daran zu arbeiten ist nicht nur aber vor allem eine Aufgabe der
Künstler.



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